Eine Fallstudie aus der Smart City Modellregion

Wenn man sich den kleinen oberfränkischen Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge vors innere Auge ruft, sieht man bayerische Gemütlichkeit und Tradition, historische Architektur und sehr viel Fichtelgebirge. All das stimmt, noch viel mehr stimmt es, sich dazu ein smartes, digital angeschlossenes und zukunftsbereites Landratsamt vorzustellen. Der gut 70.000 Einwohner:innen zählende Landkreis Wunsiedel steht für ein „Smartes Fichtelgebirge“. 

Wunsiedel ist in der ersten Förderrunde des Projekts „Smart Cities“ (des Bundesministeriums des Innern) als einziger Landkreis bundesweit zur Modellregion ernannt worden. Das „Smarte Fichtelgebirge“ wird über die nächsten sieben Jahre digitale Anwendungen entwickeln, die sich auch auf andere ländliche Regionen übertragen lassen. Dafür wurde der Landkreis mit rund 15 Millionen Euro an Fördergeldern ausgestattet. 10 Prozent muss Wunsiedel in eigener Beteiligung investieren. Beim digitalen Ausbau steht die Telekom als Partner zur Seite. 

In Wunsiedel im Fichtelgebirge hat die digitale Transformation angefangen. 2026 sollen alle Verwaltungsbereiche smart agieren. Über das Vorhaben haben wir mit Oliver Rauh, Projektleiter für das Smarte Fichtelgebirge im Landratsamt Wunsiedel ein Q & A gemacht:

Oliver Rauh Projektleiter Smart City Wunsiedel
Oliver Rauh Projektleiter Smartes Fichtelgebirge, Landkreis Wunsiedel

Q: Wann haben Sie die digitale Transformation zum Smarten FIchtelgebirge gestartet und an welchem Punkt stehen Sie heute?

A: Spätestens mit der Förderantragsstellung Anfang 2019 haben wir das Thema Digitalisierung auf die Agenda genommen. Vorher gab es bereits Digitalisierungsansätze, aber ab diesem Zeitpunkt wurde Digitalisierung gesamtheitlich gedacht. Und es wurde versucht, die Synergieeffekte zwischen einzelnen Themenfeldern hervorzuheben. 
Aktuell ist unsere zweijährige Strategiephase abgeschlossen, es existiert jetzt ein gesamtheitliches Konzept. Nun geht es darum in den einzelnen Themenbereichen mit der konkreten Umsetzung voranzugehen. Dazu gehört, entsprechend auch die Infrastruktur aufzubauen, eine Datenplattform für den Landkreis zu generieren, die dann die Grundlage für alle weiteren Digitalisierungsschritte stellt.

Q: Wie haben Ihre Bürger:innen den Prozess „Smartes Fichtelgebirge“ beeinflusst?

A: Die Strategiephase war bereits so aufgebaut, dass wir ausschließlich auf die Stimmen der Bürger:innen hören wollten. Wir wollten wissen, wo der Schuh am meisten drückt. Das haben wir einerseits über die Beteiligungsplattform schön erfragen können und zusätzlich – wir sind hier durchaus ein älterer Landkreis – wollten wir das Ganze auch analog gestalten. Dafür haben wir ganz klassisch einen Fragebogen an alle Haushalte verschickt. 

Q: Mit welchem Beteiligungsthema sind Sie in den Austausch mit den Bürger:innen eingestiegen?

A: Wir haben das mit dem Claim versehen ‘Dein Fichtelgebirge – Deine Entscheidung’. Damit wollten wir klar ansprechen, dass die Bürger:innen die Chance haben, mitzugestalten wie sich das Fichtelgebirge in den nächsten Jahren entwickeln soll. Wir haben das ganze auch als Anreiz genommen, unser existierendes Kreisentwicklungskonzept zu erneuern und so die Entwicklungsleitlinie für den Landkreis zu gestalten. 

Arbeitsintensiv. Kommunikativ. Spannend und zukunftsweisend.

Auf die Frage: Welche Adjektive kommen Ihnen sofort in den Sinn, wenn Sie an das Smarte Fichtelgebirge denken? 

Q: Welche Methoden der Bürgerbeteiligung haben Sie genutzt, damit die Menschen in Ihrer Region hinter der Idee einer Smart City stehen?

A: Im Zuge der anfänglichen Strategiephase ging es darum, ein erstes Stimmungsbild einzufangen. Mit diesen ersten Ergebnissen ging es dann in die Auswertung, anschließend haben wir mit ihnen dann Expertenworkshops gemacht. Akteure aus Wirtschaft, Forschung, Bildung waren eingeladen – mit ihnen haben wir die Ergebnisse in einem eintägigen Workshop bearbeitet, im Sinne des Design Thinking. Es ging darum, Ideen zu spinnen und Projektansätze auszudifferenzieren und dann auch zu sortieren: Was sind Projekte, die eher schnell umsetzbar sind, vielleicht nicht gleich den größten Mehrwert bieten, aber Vertrauen schaffen? Und was sind Projekte, die ‘dickere Bretter’ sind, die wir bohren müssen, aber die am Schluss eben einen nachhaltigen Mehrwert für den Landkreis bieten? Diese Fragen haben uns geleitet, einen gewissen Mix hinzubekommen. Die Projekte haben wir dann den Bürger:innen widergespiegelt, einerseits über die Plattform, aber auch in Form einer kleinen Ausstellung. Ursprünglich war eine Art Bürgerwerkstatt geplant, dann wurde aber Corona bedingt eine Einbahn-Ausstellung daraus. Alle Projekte wurden auf Poster gedruckt und präsentiert, beim Eintritt bekamen alle Bürger:innen Zettel und Stift in die Hand und Klebepunkte. So konnten sie für ihre Lieblingsprojekte abstimmen oder Rückfragen aufschreiben. Vor Ort waren aber auch Ansprechpartner, die auf Rückmeldungen wie z.B. Verbesserungsvorschläge auch direkt eingehen konnten. Uns erlaubte das im Nachgang, ziemlich sauber auszuwerten, was die Projekte mit dem größten Wert bei den Bürger:innen sind. 

Q: Wie erreicht man unterschiedliche Gruppen, für die die Thematik vielleicht auch weniger relevant ist? Gab es Herausforderungen?

A: Am Anfang geht das natürlich nur mithilfe von Werbung, damit die Bürger:innen auf das Projekt aufmerksam werden. Wir haben zum Auftakt gut investiert und dann sowohl über Zeitungen, Radio und sonstiges Werbung gemacht. Unsere Erfahrung war, dass die Bürger:innen damit gut aktiviert wurden. Ich empfehle nicht auf jeden Euro zu schauen, gerade am Anfang ist die Kommunikation sehr wichtig. So nimmt man die Menschen vor Ort von vornherein mit. Wichtig ist noch, die verschiedenen Kanäle zu bedienen. Die einen lesen noch mehr die Zeitung, die anderen hören Radio und manche sind nur auf Social Media unterwegs. Dementsprechend breit sollte man hier fächern. Das haben wir von Vornherein so gemacht und wir mussten nicht nochmal Aufrufe starten, sondern wir hatten relativ schnell eine relativ hohe Beteiligung. Von 70000 Einwohner:innen im Landkreis registrierten sich relativ schnell über 1000 auf der Plattform, für uns ein guter Schnitt! 
Zu den Herausforderungen: Auf der Plattform ging es sehr konstruktiv zu, ein bisschen anders stellte sich das über die Postwurfsendung dar; da gab es etwas mehr kritische Anmerkungen, z.B. aus der 5G-Gegnerschaft. Aber das war alles sehr überschaubar. Auch in den weiteren Projektphasen gab es bisher kaum Gegenstimmen.

Bild von Fichtel App auf Handy
Der Weg zum Smarten Fichtelgebirge – aktuell läuft die Entwicklung der Fichtel-App.

Q: Wie wird die digitale Beteiligungsplattform in den Alltag der Bevölkerung integriert?

A: Noch nutzen wir unsere Plattform nicht ganz so vollumfänglich, wie wir sie nutzen könnten, wir sind aber gerade dabei, das auszuweiten. Bis jetzt ist viel projektabhängig kommuniziert worden. Also der Traffic auf der Plattform steigt, wenn einem konkreten Projekt etwas Werbung vorhergegangen ist. Noch hat unsere Plattform ihre eigene Adresse, unter der sie auffindbar ist. Wir wollen sie künftig aber in unsere neue Homepage integrieren, so dass beides noch besser zusammenspielt. Dann werden auch viel mehr Rückmeldungen von den Bürger:innen möglich sein, die projektunabhängig sind – wo sie ungefragt Ideen einreichen und sich mit uns in Verbindung setzen können. 

Q: Als Vorreiter in der Transformation der ländlichen Region, welchen Rat können Sie anderen Kommunen & Verwaltungskolleg:innen geben, die den Weg zur Smart City noch vor sich haben?

A: Ich würde auf jeden Fall den Rat geben, sich umzuschauen. Es gibt inzwischen so viele verschiedene Ansätze überall und viele gute Vorreiter, an denen man sich orientieren kann. Außerdem meine Empfehlung, dass man auf jeden Fall mit Bürgerbeteiligung starten und diese auch durchaus analog und digital aufziehen sollte. Dementsprechend hat man auch unterschiedliche Zielgruppen, die man erreicht. Und über den digitalen Kanal hat man viel schneller die Möglichkeit, die Leute anzusprechen, die Reaktionszeit ist geringer, ich kann kurzfristiger mal ein Stimmungsbild abfragen, das mir dann für die weitere Projektarbeit hilft. Und wichtig: nie einfach so drauf los schießen, sondern wirklich die Bürger:innen mitnehmen. 

Q: Zum Schluss: Wie geht es weiter mit dem Thema Bürgerbeteiligung, welche Projekte stehen an?

A: Aktuell befinden wir uns in der Entwicklung der Fichtel-App, eines der Projekte, die über das Bürgerbeteiligungsverfahren entstanden ist. Da haben wir aber auch nochmal speziell für die Fichtel-App eine Beteiligung geschaltet, wo wir über die Plattform Probanden gesucht haben, die wir in die App-Entwicklung einbinden. Das klappt alles gut. Und unser Jugendamt will die Jugend stärker beteiligen. Regelmäßig soll es eine Umfrage in einem gewissen Altersspektrum geben, um deren Bedürfnisse zu erfragen und herauszufinden wie wir sie dabei am besten unterstützen können. Und da bietet die Plattform auch eine gute Möglichkeit, die Jugendlichen zu erreichen. Auch unser Kulturentwicklungsplan für den Landkreis wird in Kürze neu aufgestellt. Da stehen wir im Austausch mit dem Fichtelgebirgsmuseum, das hier hier die Federführung innehat und auch die Beteiligungsplattform nutzen will um Prozesse digital zu begleiten.

Dieser Beitrag ist Teil der Serie zu Smart City von CitizenLab.

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