Die große Aufgabe unserer Zeit: Klimawandel aufhalten. Am besten holen Sie Ihre Bürger mit ins Boot und machen sie zu Klimaräten. Wie Sie einen Klimarat auf die Beine stellen und Ihre Bürger:innen in Ihre Klimapolitik einbeziehen, zeigen wir an aktuell anlaufenden Beispielen.

In der ersten Februrarwoche 2022 verschickte der Berliner Senat die Einladungen für den geplanten Klimabürger:innenrat der Hauptstadt. Diese ging an 2.800 zufällig ausgeloste Berlinerinnen und Berliner. Unter allen, die interessiert waren teilzunehmen, wurden dann genau 100 ausgewählt, die möglichst einen Querschnitt der Berliner Bevölkerung abbildeten. Der Berliner Klimabürger:innenrat ist also ein repräsentativ für die Berliner Bevölkerung zusammengesetztes partizipatives Gremium. Am 26. April geht seine Arbeit los. Bis Juni sollen dann in insgesamt neun Sitzungen im Austausch mit Wissenschaftler:innen Ideen entwickelt und Vorschläge gemacht werden, mit welchen konkreten Maßnahmen die Hauptstadt Deutschlands auf die Folgen der Klimakrise reagieren soll.

„Ich bin gespannt auf den Prozess, auf die Debatten im Klimabürger:innenrat und natürlich besonders auf die konkreten Empfehlungen, mit denen wir uns sehr sorgfältig beschäftigen werden.“ – Bettina Jarasch, Berlins Mobilitätssenatorin (Grüne)

Der Berliner Klimabürger:innenrat geht zurück auf die Forderung der Volksinitiative „Klimaneustart Berlin“. Und auch in Österreich folgte die Einrichtung des Klimarats einer Forderung von ‘unten’. Mit einem Klimavolksbegehren forderten fast 400.000 Österreicher:innen das Recht auf aktive Mitbestimmung von Klimaschutzmaßnahmen. Im März 2021 setzte der Nationalrat das Volksbegehren mit dem nationalen Klimarat um. Der Prozess zur Etablierung dieses Rats folgte dem gleichen Vorgehen, wie in Berlin. Per Zufallsauswahl wurde ein “Mini-Österreich” zusammengestellt und bildet jetzt den 100 Köpfe starken österreichischen Klimarat. Dieser trifft sich seit Januar monatlich (im Wechsel mal in Wien, mal und Salzburg) und setzt sich mit Fragen auseinander, die zentral für die Gestaltung der Zukunft überall auf der Welt sind: Wie wollen wir uns fortbewegen? Woher beziehen wir unsere Energie? Wie müssen wir uns ernähren, um den Planeten zu schützen? Die Arbeit des Klimarats erfolgt ebenfalls in Austausch mit Expert:innen und Wissenschaftler:innen. Nach der letzten Sitzung im Juni 2022 werden die Ergebnisse an die Bundesregierung übergeben. Die braucht gute Klimalösungen, denn Österreichs nationales Ziel ist es, bis 2040 klimaneutral zu sein.

Bürger:innen wollen mitentscheiden

Sowohl der Blick nach Österreich als auch der nach Berlin zeigen, dass die kommunale Einbindung der Bürger:innen nicht selten in Reaktion auf bürgerschaftliche Forderungen entstehen kann. Bottom Up, von unten nach oben. Der Wille der Bürger:innen nach aktiver Mitbestimmung ist groß, wenn es um die eigene Zukunft, die des eigenen Bezirks, des Landes, der Familien geht. Mehr als zwei Drittel der Menschen möchten direkt über wichtige Themen entscheiden.

Städte und Kommunen können diesen Wunsch nach öffentlicher Mitgestaltung für die Klimapolitik nutzen. Verschiedene Beteiligungsinstrumente eignen sich, um Bürger:innen in die Gestaltung der Klimapolitik zu involvieren. Auf einer digitalen Beteiligungsplattform kann die Bevölkerung aktiv mitreden, mitentscheiden, Vorschläge unterbreiten, in die Diskussion gehen. Die Kommunalverwaltung kann in ihrer Entscheidungsfindung mit der Gemeinschaft an einem Strang ziehen, um eine krisenresistente Politik für alle zu gestalten. So können handfeste politische Konzepte entstehen, die mit den Bedürfnissen der Bürger:innen im Einklang stehen und eine transparente Nachvollziehbarkeit ermöglichen. Politik wird mit Partizipation gesellschaftlich viel stärker mitgetragen, denn Bürger:innen erkennen, dass ihre Meinungen zählen und dass ihre Ideen zu den Veränderungen führen können, die sie sich wünschen. Bürger:innen zu beteiligen hilft auch, Wege aus der wachsenden Politikverdrossenheit zu finden. Laut einer repräsentativen Umfrage des Allensbach-Instituts (von April 2022) stellt fast ein Drittel der Bundesbürger:innen das demokratische System in Deutschland infrage. 31 Prozent der Befragten äußerten, in einer „Scheindemokratie“ zu leben, „in der die Bürger nichts zu sagen haben“.

Gemeinsam Lösungen für das Klima finden

Der kürzlich veröffentlichte Report des Weltklimarat IPCC war vor allem eine Warnung: Weiteres Zögern beim Klimaschutz führe in eine Katastrophe, so die Klimawissenschaftler:innen mit Blick auf den aktuellen Stand der Forschung. Kommunen weltweit müssen diese Dringlichkeit Ernst nehmen. Es werden Wege und Lösungen gebraucht, wie die Menschen sich jetzt an den Klimawandel anpassen können, um die Folgen auf Gesundheit, Ernährung, Wirtschaft und die gesamte Biosphäre noch einzudämmen. 

Wiens frisch gestartete Beteiligungsmöglichkeit ‚Wiener Klimateam‘.

Klimapolitik mit den Bürger:innen gestalten

Auch in Bezug auf den drängenden klimapolitischen Handlungsbedarf stimmt es zuversichtlich, dass in den letzten Jahren europaweit immer mehr Beteiligungsinitiativen entstanden. Bürger:innenräte und die Gestaltung einer Klimapolitik, die es den Bürger:innen ermöglicht, sich zu beteiligen, sind auf dem Vormarsch. Dies zeigt sich auch beim gerade startenden Wiener Klimateam

Die Wienerinnen und Wiener wissen selbst am besten, was es bei ihnen ums Eck braucht, um das Leben in der Stadt noch nachhaltiger und besser zu machen. Mit dem Wiener Klimateam setzen wir daher auf neue Wege in der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern: Sie können nicht nur eine Idee einreichen, sondern sich aktiv bei der Weiterentwicklung der Idee zum Projekt beteiligen. So können sie ihre unmittelbare Lebensumgebung mitgestalten.

Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky

Lokaler Green Deal

Egal ob Metropole, Dorfregion oder Kreisstadt. Partizipation geht für alle Einwohner:innenzahlen und Größenordnungen. Die kreisfreie Mittelstadt Coburg in Bayern bereitet speziell für ihr „Green Deal Coburg 2030“ einen Klimarat vor. Damit will sich Coburg zusammen mit den Bürger:innen und einer breiten Akteursbeteiligung auf den Weg zu einem lokalen Green Deal machen. Die Projektlaufzeit wird sich über zwei Jahre erstrecken. Aktuell werden nach beschriebenen Zufallsprinzip die Teilnehmenden ausgewählt, spannend dabei ist, dass ein starker Fokus auch auf Kinder- und Jugendbeteiligung liegen wird. 

CitizenLab begleitet sowohl Wien als auch Coburg bei der digitalen Umsetzung der Beteiligungsinitiativen.

Digitale Beteiligung in Coburg unter dem Motto #GenerationCO2030 auf mitmachen.coburg.de

Von Beteiligungsprojekten der Jungen lernen

Ein Vorzeigeprojekt in Sachen Jugendbeteiligung und Klima war die digitale Beteiligungsinitiative Youth4Climate. Junge Menschen aus Belgien und anderen Ländern waren im Jahr 2019 eingeladen, ihre Ideen zur Bekämpfung der Klimakrise kundzutun. Auf der Beteiligungsplattform wurde ähnlich lebhaft und leidenschaftlich diskutiert, wie auf der Straße. Das Resultat: In knapp drei Monaten posteten die jugendlichen Nutzer:innen über 1.700 Ideen, gaben 2.600 Kommentare ab und stimmten über 32.000 Mal für die Initiativen, die sie für am unterstützenswertesten hielten. Die CitizenLab-Software konnte aus all diesen Beiträgen 15 klare Prioritäten ableiten und Trends ermitteln; diese konnten genutzt werden, um die Politik zu beeinflussen. Wie politikinteressiert und klimakompetent die junge Generation ist, beweist längst die globale Bewegung Fridays for Future. 

Es gibt schon viele gute Vorreiter-Projekte und Best-Practice Beispiele für Klimaräte. Diese können als Inspiration für den Aufbau eines eigenen Bürger:innenrats genutzt werden.  Der Klimakrise gemeinsam mit der Bevölkerung entgegentreten – dafür entschied sich auch der Gemeindeverband Grand Paris Sud, der mit seiner Kampagne „Le stand-up pour le climat“ (Gemeinsam für das Klima aufstehen) schon 2019 beschloss, die Ideen und Meinungen der Bürgerinnen und Bürger in die Klimapolitik einzubinden.

Mit Ihrem Klimarat die Demokratie und die Zukunft Ihrer Kommune verbessern

Beteiligungsprozesse werden nicht unbedingt zu einem Konsens führen. Aber stärker kooperativ miteinander zu arbeiten und die Bürger:innen aktiv in die Entwicklungen der eigenen Stadt oder des Kiezes einzubeziehen, das ist Demokratie. Damit Ihre Kommune auch in Zukunft mit dem Klima klarkommt, ist es richtig, auf Klimaäte zu setzen und die Bevölkerung an der Klimapolitikgestaltung teilhaben zu lassen. Schließlich lassen sich Krisen am besten gemeinsam bewältigen. 

Mit Partizipation auf dem richtigen Weg gegen die Klimakrise. Lesen Sie dazu auch: 

Blog: Wie Sie mit Bürgerbeteiligung einen Klimaaktionsplan erstellen
Blog: Was Städte jetzt tun können, um die Klimakrise zu bekämpfen
Leitfaden: Grünere Städte der Zukunft gestalten