Der öffentliche Raum sollte gleichmäßig verteilt, zugänglich für alle und inklusiv gestaltet sein. Deshalb sind heute viele Stadtplanungsprozesse auf die Gestaltung von Plätzen konzentriert, verfolgen also einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz. Mehr als je zuvor wird die Bedeutung von Stadtvierteln von Faktoren wie Begehbarkeit, öffentliche Verkehrsnetz, Zugang zu Arbeitsplätzen und vielfältige Wohnmöglichkeiten beeinflusst. Und auch außerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft haben sich die Erwartungshaltungen der Menschen an den öffentlichen Raum verändert. 

Stadtplanungstechniken wie Aktivitätszentren oder die sog. 15-Minuten-Städte, die sich auf die Nähe zu den täglichen Grundbedürfnissen für Arbeit und Freizeit konzentrieren, spielen eine immer größere Rolle. In Anbetracht der vielen Facetten, mit denen sich Kommunalverwaltungen heute auseinandersetzen müssen, kann der Einsatz von ‘Placemaking’ – das Schaffen einer sozialräumlichen Aufwertung im Rahmen kommunaler Beteiligung dazu beitragen, dass Städte sich zusammen mit ihren Bewohner:innen entwickeln.   

Was ist Placemaking?

Zunächst, wir möchten hier beim englischen Begriff bleiben. Beim Placemaking geht es um die Verbesserung der Qualität des öffentlichen Raums und des Lebens der Menschen, die ihn nutzen. Die Umwelt- und Politikwissenschaftlerin Judit Boros aus Wien zitiert dazu:

Placemaking ist ein inhärent menschenzentrierter Ansatz für die Planung, Gestaltung und Verwaltung von öffentlichen Räumen in Städten, da er die Beziehungen zwischen Individuen, Gemeinschaften und städtischen Räumen betont. (Wyckoff)

Das renommierte MIT schreibt ferner, dass die Praxis von Placemaking darauf abzielt,

“öffentlichen Raum zu schaffen oder zu verbessern, den öffentlichen Diskurs anzuregen, Schönheit und Freude zu schaffen, Bürgerstolz zu erzeugen, Nachbarschaften zu verbinden, die Gesundheit und Sicherheit der Gemeinschaft zu unterstützen, soziale Gerechtigkeit zu fördern, die wirtschaftliche Entwicklung zu katalysieren, ökologische Nachhaltigkeit zu fördern und natürlich einen authentischen Sinn für den Ort zu entwickeln.“

Die Expertise der Bürgerinnen nutzen

Placemaking-Initiativen zielen darauf ab, Veränderungen zum Nutzen der gesamten Gemeinschaft herbeizuführen. Die Menschen in Ihrer Stadt sind Expert:innen – sie leben, arbeiten, lernen und spielen in ihrem Raum – jeden Tag. Beziehen Sie ihr Wissen ein, lernen Sie von ihnen über die Vorzüge und Bedürfnisse der öffentlichen Räume.

Hier teilen wir einige internationale Beispiele aus der CitizenLab Community die zeigen, wie Placemaking und Bürger:innenpartizipation ineinandergreifen und was sich dadurch alles bewirken lässt: 

1. Mit Placemaking einen Stadtwald schaffen

Die französische Stadt La Riche ließ sich von den städtischen Wäldern des japanischen Botanikers Akira Miyawaki inspirieren und beschloss, einen solchen für ihre Einwohner:innen zu schaffen. La Riche plante, über 600 Bäume und Sträucher für ihre Gemeinschaft zu pflanzen, um die Temperaturen in dicht besiedelten Gebieten zu senken und die wohltuende Ästhetik der Natur in eine städtische Umgebung zu bringen. Um zu entscheiden, wo die Investition getätigt werden sollte, wurde eine Online-Beteiligungsplattform eingerichtet. Die Bürger:innen waren aufgefordert, ihren bevorzugten Standort für den Stadtwald zu wählen. Während des Abstimmungsprozesses war ein zweiter Standort bei den Bewohner:innen so beliebt, dass die Stadt schlussendlich entschied, auch in eine zweite Grünfläche zu investieren. Dort entstand dann ein öffentlicher Obstgarten.

2. Placemaking zur Verbesserung der Infrastruktur für Fußgängerinnen und Radfahrer

Placemaking in community engagement project

Der Stadtrat des schottischen Stirling wollte mit dem Projekt Walk, Cycle, Live Stirling (zu deutsch: In Stirling laufen, radeln und leben) herausfinden, wie man wichtige Verkehrskorridore umgestalten kann. Das Hauptziel? Mehr fußgänger- und fahrradfreundliche Plätze, die die Bürger:innen sicher ins Stadtzentrum bringen. Der Stadtrat beschränkte sich nicht nur auf die Schaffung eines Weges, sondern überlegte auch, wie man entlang der Strecke Räume zum Ausruhen, zum Spielen und für den sozialen Austausch schaffen könnte. Mit diesem Projekt zur Gestaltung des Ortsbildes ging der Stadtrat auf mehrere Probleme ein, die zuvor von den Bürger:innen in einer Beteiligungsaktion aufgeworfen worden waren, zuvorderst waren ‘Verkehr’ und ‘Luftqualität’ genannt und bemängelt worden. 

3. Ortsgestaltung zur Integration des Naturschutzes in Stadtentwicklungsprojekte 

Gemeinsam mit der Flämischen Landagentur rief die Stadt Maasmechelen eine digitale Beteiligungsplattform für Bürger:innen ins Leben, um mehrere Ortschaften und die sie verbindende Natur im Einklang zu entwickeln. Für diejenigen, die nicht online teilnehmen konnten, ermöglichte Maasmechelen die Partizipation durch Papier-Umfragen, die es entlang eines Wanderwegs an Stationen gab und richtete einen Informationsstand auf dem örtlichen Bauernmarkt ein, der drei Nachbar-Ortschaften verband. Die Einwohner:innen wurden gebeten, ihre Lieblingslandschaft im Tal zu nennen und sich dazu zu äußern, welche Straßen für Radfahrerinnen und Fußgänger verbessert werden könnten, und wie der Stadtplatz ihrer Träume aussehen würde. Mithilfe der interaktiven Kartenfunktion auf der Plattform konnten die Teilnehmenden ihre Präferenzen exakt markieren und kommentieren.

4. Placemaking für sicherere Straßen für alle

Als die US-amerikanische Stadt Lancaster ihre Beteiligungsplattform ins Leben rief, wusste sie, dass sie ihre Einwohner:innen befragen wollte, wie die South Duke Street, eine belebte aber gefährliche Straße sicherer und gemeinschaftsfreundlicher gestaltet werden könnte. Stadtplanerische Recherchen hatten gezeigt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen, stärkere Beleuchtung und abgetrennte Fahrradspuren deutlich zur Verbesserung der Sicherheit des Knotenpunktes beitragen würden. Doch wollte die Stadt unbedingt auch die Meinung derjenigen hören, die die Straße täglich nutzen – die Anwohner:innen. Mithilfe der Kartenfunktion der Beteiligungsplattform lud das Department of Neighborhood Engagement von Lancaster seine eigenen Kartenebenen hoch. Darauf waren wichtige lokale Markierungen gesetzt. Das erleichterte den Bewohner:innen die Orientierung. Und so konnten sie dezidiert anmerken, welche Bürgersteige und Fußgängerüberwege am dringendsten verbessert werden müssen, welche Kreuzungen anfällig für zu schnelles Fahren sind und wo mehr Bäume und Ampeln benötigt würden.

5. Placemaking für die Planung großer und kleiner Veränderungen

Die Stadt Nieuwkoop nutzt ihre Plattform für die Beteiligung, um ihre Einwohner bei einer Vielzahl von Themen „mitdenken“ zu lassen. Eines der wichtigsten Projekte der Stadt konzentriert sich auf die regionale Energiestrategie, in deren Rahmen sie die Bürger:innen und andere lokale Interessengruppen zur Platzierung umweltfreundlicher Energiequellen befragte. Auch hier wurde die Kartenfunktion der Plattform genutzt, hervorgehoben waren die vielversprechendsten Gebiete für die Erzeugung von Solar- und Windenergie. Damit waren die Bürger:innen bereits zu Beginn des Prozesses in der Lage, ein Verständnis für die Veränderungen zu gewinnen. Daneben sollte grünes Leben auf mikrolokaler Ebene gefördert werden. Hierfür wurde ein Projekt gestartet, bei dem die Bewohner:innen Tipps zum Gärtnern auf Balkon, Innenhof oder Bürgersteig austauschen konnten.

Placemaking: wirkungsvolle Gestaltung und Planung des öffentlichen Raums

Bei der Neugestaltung oder Neubewertung öffentlicher Räume kann die Zusammenarbeit mit Ihren Bürger:innen nur von Vorteil sein. Die Erkenntnisse aus der Bevölkerung helfen, den Fokus einzugrenzen, die richtigen Projekte auszuwählen und effizient mit den Ressourcen Ihrer Verwaltung umzugehen. Gleichzeitig können Sie die Veränderungen, die Ihre Gemeinschaft am meisten wünscht, effektiv unterstützen. Eine Win-Win-Situation? Wir denken ja!

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