Die Welt hat in den letzten Monaten zwangsläufig einen Crashkurs in digitaler Interaktion und Werkzeugen erhalten. Angesichts der sozialen Distanzierung als Katalysator für digitales Engagement bei Bürgern, gibt es im Bereich Civic Tech großen Nachholbedarf bei der Erleichterung digitaler Deliberation. Aber jetzt ist ein guter Zeitpunkt, dies zu ändern!
Die Deliberationsswelle
Da mehrere Bürgerversammlungen zur Lösung komplexer politischer Fragen beitrugen, hat die Civic Tech Branche nach Möglichkeiten gesucht, diese Deliberationsprozesse online zu wiederholen. Die Deliberation unterscheidet sich von der Bürgerbeteiligung, da sie darauf abzielt, einen Konsens zu erreichen, indem sie die Debatten und Diskussion erleichtert, während die Bürger durch die Beteiligung in die Lage versetzt werden, individuelle Aktionen wie Abstimmungen oder den Austausch von Ideen durchzuführen. Die meisten Online-Plattformen erleichtern diese partizipativen Prozesse, und obwohl dadurch mehr BürgerInnen und Bürger erreicht werden konnten, wird Deliberation oft als sinnvollere Form des bürgerschaftlichen Engagement gefeiert.
„Die Gestaltung von Bürgerversammlungen bietet den besten Mechanismus, um (1) die kollektive Intelligenz wirklich zu nutzen und (2) einen Einblick in das zu geben, was die Bevölkerung als Ganzes denken würde, wenn sie die Möglichkeit hätte, sich über die anstehenden Fragen zu informieren; verschiedene Standpunkte zu hören und untereinander zu diskutieren, was die beste politische Option sein könnte.
Tiago C. Peixoto, leitender Spezialist für den öffentlichen Sektor bei der Weltbank
(lesen Sie das vollständige Interview).
Aufgrund der sozialen Distanzierungsmaßnahmen können sich die Räte derzeit nicht zu Offline-Deliberation entschließen. Es ist unbestreitbar, dass diese Krise digitale Diskussionsangebote beschleunigt hat. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass dies nicht nur als Ersatz gesehen wird. Es sollte als eine Gelegenheit gesehen werden, mehr Diskussionsprozesse für die Politikgestaltung zu schaffen.
Wie man surft
- Timing: Synchron oder asynchron?
Wollen Sie, dass die Diskussion in Echtzeit stattfindet? Viele Regierungen haben mit Video-Workshops experimentiert, z.B. über Jitsi, da es das größte Potenzial zur Nachahmung von Offline-Rathäusern hat. Offensichtlich gibt es nach wie vor Unterschiede: Die Bürgerinnen und Bürger haben online eine kürzere Konzentrationsspanne, sodass es notwendig ist, die Videodiskussion durch interaktive Methoden wie Break-out-Sitzungen oder Abstimmungen zu ergänzen. Asynchrone Kommunikation, wie Online-Foren, vermisst diese Echtzeit-Interaktion, bietet den Bürgern jedoch mehr Zeit zum Nachdenken – und erfordert nicht unbedingt eine stabile Internetverbindung. - Datenschutz: Identifizierung oder Anonymität?
Sollten die Teilnehmer die Möglichkeit haben, sich anonym an der Debatte zu beteiligen? Wird dies den Bürgern erlauben, sich frei zu äußern, oder weniger Vertrauen in die Diskussion schaffen? In einer Videodiskussion ist Anonymität keine wünschenswerte Option, aber für schriftliche Diskussionen ist es eine Option, die Ihr Rat in Betracht ziehen kann. - (Schriftliche) Diskussionen: Konversation oder Visualisierung?
Wenn Bürger Botschaften posten, können diese zeitlich organisiert werden, wie dies bei Video-Chats der Fall ist, was die Navigation in der Diskussion erschwert. In der Debatte gibt es weniger Überblick als bei der thematischen Organisation von Ideen, wie es z.B. von Kialo (asynchron) und Synthetron (synchron) praktiziert wird; beide Tools konzentrieren sich auf den schriftlichen Austausch. - Moderation: Mensch oder Maschine?
Wie werden Sie die Diskussion moderieren? Kann jemand aus Ihrem Team die Diskussion moderieren oder werden Sie sich bei der anschließenden Analyse auf die Technik verlassen? Die digitale Diskussion bietet die Möglichkeit, künstliche Intelligenz wie die Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) zu nutzen, welche imstande ist Ideen und Meinungen in großem Maßstab zu bündeln.
Der aktuelle Stand
Trotz des großen Potenzials der digitalen Diskussion gibt es einige Herausforderungen, welche noch bewältigt werden müssen:
Die digitale Kluft
Unzuverlässige Internetverbindungen oder einfach nur das Unwohlsein bei der Nutzung der neuen digitalen Werkzeuge können Bürger von der Beteiligung ausschließen. Die digitale Kluft und das Analphabetentum sollten die Räte nicht davon abhalten, in digitale Deliberation zu investieren, doch sollten sie dies bewusst tun. Aber wie?
- Stellen Sie sicher, dass es immer eine Möglichkeit für die Bürger gibt, sich auch asynchron an der Diskussion zu beteiligen, z.B. indem sie im Voraus eine Umfrage ausfüllen, abstimmen oder ihre Vorschläge mitteilen – Aktionen, die weniger von einem stabilen Wi-Fi abhängig sind.
- Stellen Sie Dokumente zur Verfügung, die den (technischen) Prozess im Voraus klar erklären, oder veranstalten Sie Vorbesprechungen, um die Bürger durch die technischen Einstellungen zu führen.
- Halten Sie sich an ein Werkzeug. Es ermöglicht sowohl Beamten als auch Bürgern, sich an den technischen Aspekt zu gewöhnen, und stellt sicher, dass die daraus gezogenen Lehren für künftige Diskussionen relevant bleiben.
Verknüpfungsprobleme bei der Moderation
Es gibt zwar reichlich Gelegenheit für die Technologie, die Diskussion zu bereichern, aber es fehlt uns immer noch die Erfahrung, wie sie am besten genutzt werden kann. Die Moderation digitaler Diskussionen, sei es durch Beamte oder durch Technologie, erfordert Praxis – und Erfahrung. Wir brauchen Pioniere, die mit den Optionen experimentieren, die wir heute haben, um die Lösungen von morgen zu finden.
Das Blatt wendet sich
Trotz der Herausforderungen weht ein Wind des Wandels: Die digitale Deliberation wird bestehen bleiben. Deshalb hat CitizenLab Online-Bürgerworkshops entwickelt, ein Feature, das:
- Es möglich macht synchrone Diskussionen über eine sichere Videoverbindung zu veranstalten. Während der Workshops können Sie beschließen, Plenarsitzungen zu veranstalten, relevante Dokumente auszutauschen, aber auch separate Gruppen zu bilden, um Stellungnahmen oder Themen ausführlicher zu diskutieren.
- Zusätzliche Beteiligungsmethoden bietet. Bei Break-Out-Sitzungen muss die Debatte nicht nur per Video fortgesetzt werden, sondern die Bürger können auch ihre Ideen niederschreiben und andere darüber abstimmen lassen. Später können die Ideen auch visuell kategorisiert werden, um gemeinsame Tendenzen zu verstehen.
- Es ermöglicht, Workshops im Rahmen eines größeren Beteiligungsprozesses zu veranstalten. Da die Workshops in die Beteiligungsplattform integriert sind (die auch eine Vielzahl von Beteiligungsmethoden umfasst), ist sichergestellt, dass sowohl für die Bürger als auch für die Stadt nur ein einziges Werkzeug genutzt werden muss.
Warum haben wir diese neue Funktion entwickelt? Wir sehen Online-Bürgerworkshops als eine langfristige Lösung, die weit über die Tage der sozialen Distanzierung hinausgehen wird. Durch Online Bürger-Workshops, können Regierungen ein vielfältigeres Publikum erreichen, da diese auch von zu Hause aus zugänglich sind.
Derzeit testen wir die Funktionalität ausgiebig mit Regierungen in den Niederlanden, Belgien, Chile und Dänemark. Wir freuen uns über das große Interesse vieler Städte und Regierungen und freuen uns, die Funktion in Kürze unseren Partnern zur Verfügung stellen zu können. Darüber hinaus sind wir derzeit dabei, einen Leitfaden für Beamte zu verfassen, der es ermöglicht, das volle Potenzial von Online-Workshops zu nutzen. Dieser Leitfaden wird demnächst auf unserer Ressourcenseite veröffentlicht, also halten Sie die Augen offen!
Wir halten Sie über die Entwicklungen und Erkenntnisse unserer Online Citizen Woskshop Funktion auf dem Laufenden! Experimentieren Sie auch mit digitaler Bürgerdeliberation oder haben Sie Lust, dies zu tun? Lassen Sie uns reden!
