Dass durch Austausch immer ein Gewinn entsteht, dafür ist Bürger:innenbeteiligung das beste Beispiel – Stichwort: Teilhabe, Zufriedenheit, Stärkung der Demokratie.
Zum Austausch lud auch das Forum Offene Stadt – die größte Fachkonferenz für Open Data und Open Government in Deutschland ein. Organisiert von der Körber-Stiftung, trafen am 17. und 18. November Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft und Verwaltung zusammen, um voneinander und miteinander zu lernen, wie Städte und Kommunen digitale Innovationen für die Demokratie und das Gemeinwohl nutzen können.
Wir von CitizenLab waren eingeladen, unsere Erfahrungen im Bereich digitale Bürger:innenbeteiligung und demokratische Innovationen zu teilen. Unsere Beteiligungsexpertin Jelena Gregorius brachte ein paar spannende Take-Aways vom Forum mit. Wir blicken konkret darauf, was Städte und Kommunen hierzulande brauchen, um tiefer einzusteigen in die digitale Beteiligung ihrer Bürgerinnen und Bürger – oder sich mehr zu trauen.
4 Take-Aways vom Forum Offene Stadt
1. Offen sein.
Und sich das Beste abschauen von Verwaltungen, die bereits viel tiefer drin stecken in digitaler Partizipation. Zum Forum Offene Stadt war Taiwan als Gastland eingeladen. Taiwan ist ein Vorreiter, wenn es um technische Innovation in der Organisation des Zusammenlebens geht. Auch ihr Slogan
smart citizens, not smart cities
ist nachahmenswert. Civic Tech ist kein Selbstzweck. Technologie und Daten werden genutzt, um Werte zu schaffen. In Taiwan wird das kollektive Wissen der Bürger:innen ganz konkret wertgeschätzt, indem bspw. ein wöchentlicher Hackathon veranstaltet wird, bei dem Bürger:innen und Akteur:innen ganz frei dem Staat unter die Arme greifen.
Auch im CitizenLab-Netzwerk gibt es viele gute Ideen von Behörden auf der ganzen Welt, die kollektive Intelligenz der Bürger:innen für konkrete kommunale Herausforderungen zu nutzen – z. B. hier: 6 Beispiele für nachahmungswürdige Bürgerbeteiligung im Oktober.
2. Eine Kultur der Beteiligung etablieren.
Wie zentral die Bedeutung des Themas Beteiligung in Taiwan ist wird daran deutlich: Jedes Ministerium ist mit einem Beteiligungsbeauftragten ausgestattet – so entsteht auch ein Netzwerk von Menschen in allen Ministerien, die Beteiligung immer breit mitdenken. Ein idealer Nährboden für eine Kultur der Beteiligung.
Bürger:innen zu beteiligen sollte kein nice-to-have sein, sondern ein must-have. Wir empfehlen Kommunen, in eine nachhaltige Beteiligungskultur zu investieren – sie sparen am Ende viel: Zeit, Geld und Ärger. Wie sich eine Kultur etablieren lässt, haben wir hier aufgeschrieben: 5 Schritte zur erfolgreichen Beteiligungskultur in Ihrer Stadt.
3. Haltung und Vertrauen – die Basis für ein gesundes gesellschaftliches Miteinander.
Bei einer weiteren Diskussionsrunde des Forums betonte die Politikerin und Aktivistin Marina Weisband, dass Deutschlands Rückstand bei der Digitalisierung eher Resultat einer Denkweise als des Föderalismus oder der Technologie ist. In Deutschland konzentriere man sich beim Thema Partizipation zu sehr darauf, wie wir etwas tun können, und wir beziehen die Bürger:innen nicht in die Frage ein, was wir eigentlich tun wollen. Es geht aber darum, die Menschen zu befähigen. Dafür ist Vertrauen nötig. Vertrauen der Bürger:innen in ihre gewählten Vertreter:innen und Verwaltungen. Und das Vertrauen der Institutionen in ihre Bürger:innen. Nur so können Bürger:innen Selbstwirksamkeit im Umgang mit öffentlichen Strukturen erfahren.
Bei CitizenLab dreht es sich immer auch um Vertrauen und Vertrauensbildung, z. B. hier: Wie bringen Sie Ihre Bürger und Bürgerinnen dazu, Ihrer Beteiligungsplattform zu vertrauen?
Von Vertrauen handeln auch die Stufen der Partizipationsleiter. Je höher der Grad der Beteiligung, desto stärker wirkt sich dies auf das Vertrauen aus:

Die Grafik ist aus unserem Artikel: Die verschiedenen Stufen der Bürgerbeteiligung: Die Partizipationsleiter
4. Fehler zulassen und lernen.
In Deutschland ist die Angst vor Fehlern ausgeprägt, entsprechend hat sich hierzulande keine “Fehlerkultur” entwickeln können. Ganz anders in Taiwan, dort wird ein MVP (Minimum Viable Product) entwickelt, der Prototyp herausgebracht und das daraus folgende Feedback in eine Weiterentwicklung des Produkts eingearbeitet.
In Deutschland sehen Prozesse ganz anders aus. Malte Spitz, Mitgründer und Generalsekretär der NGO Gesellschaft für Freiheitsrechte und freier Datenschutzbeauftragter, hielt eine inspirierende Keynote zum Stand der Digitalisierung in Deutschland. Wichtig war sein Hinweis, dass zu viel Verantwortung auf den Schultern einzelner Personen liege. Wenn diese gingen, funktioniere nichts mehr. Das Problem sei eher die Governance in der öffentlichen Verwaltung, als die technischen Aspekte der Digitalisierung.
Statt auf Ko-Kreation zu setzen (wie im Beispiel Taiwan) werden hier Lösungen im stillen Kämmerlein ausgeklügelt. Diese werden ohne Test- und Feedbackphasen implementiert und sind oft von vornherein zum Scheitern verurteilt.
“Die fehlende Digitalisierung wird zum Demokratieproblem. Das permanente Scheitern führt zum Vertrauensverlust in die Lösungskompetenz des Staates.”
Gerade weil Deutschland noch Nachhilfe in Sachen entspannte Fehlerkultur gebrauchen kann, empfehlen wir hier eine interessante Lern-Ressource: Das “Fail Forward Toolkit” (frei übersetzt: Werkzeugkasten für gute Fehler) des Center for Public Impact (CPI). Es richtet sich an alle öffentlichen Bediensteten, die an der Förderung einer innovativeren Organisationskultur interessiert sind, in der das Scheitern als Innovationsquelle betrachtet wird. Mehr zu Fail Forward.
Was Kommunen und Städte mitnehmen können vom Forum Offene Stadt
Offen sein, in den Austausch gehen, eine Kultur der Beteiligung etablieren, Fehler akzeptieren und die Bürgerinnen und Bürger zu mehr Selbstwirksamkeit befähigen. Klingt viel, ist aber eigentlich gar nicht so schwer! Man muss nur anfangen!
Sind Sie noch neu in der Bürger:innenbeteiligung?
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