Online-Plattformen zur Einbindung der Bevölkerung bieten Kommunalverwaltungen eine zentrale Anlaufstelle, um das Feedback und die Ideen der Einwohner und Einwohnerinnen zu sammeln, zu teilen und zu diskutieren. Aber wie können Sie auch diejenigen erreichen, die nicht online sind?
In unserem jüngsten Webinar sprachen wir mit Milzy Carrasco, Verantwortliche für Bürger:innenbeteiligung im US-amerikanischen Lancaster und Rebecca Woodbury, die das ‘Department of Civic Things’ (Abteilung für zivilgesellschaftliche Angelegenheiten) leitet. Wir wollten von ihren Erfahrungen aus der Kombination von Online- und Offline-Methoden zur Bürger:innenbeteiligung lernen. Sie berichteten über verschiedene Strategien, wie man traditionell unterrepräsentierte Gruppen erreichen und sicherstellen kann, dass sie bei stadtweiten Beteiligungsinitiativen ein Mitspracherecht haben und es auch nutzen.
Möchten Sie auch mehr Menschen erreichen, Vertrauen aufbauen und strategisch wertvollere sowie gerechtere Entscheidungen treffen? Dann lesen Sie weiter. Wir teilen 5 Tipps für ein gut durchmischtes Bürger:innenengagement:
1. Überlegen Sie sich Ihr „Warum“ und beginnen Sie Ihre Arbeit von da
Uns ist klar, dass es richtig ist, Menschen die Möglichkeit zur Beteiligung an kommunalen Angelegenheiten zu geben. Aber es ist nicht nur richtig, es ist auch klug. Was ist Ihr konkretes Anliegen, für das Sie mehr Mitglieder Ihrer Gemeinde einbinden möchten? Vielleicht ist Ihr anstehendes Thema umstritten oder eher langweilig, z.B. geht es um Parkplätze. Sie benötigen mehr Rückmeldungen von den Einwohner:innen in Ihrer Kommune. Im kalifornischen San Rafael war genau das der Fall – und Rebecca und ihr Team richteten einen Abend lang einen Pop-up-Workshop vor einer örtlichen Kunstgalerie ein.
Nachdem Anwohner:innen einen Parkplatz in der belebten Innenstadt ergattert hatten um zu der Veranstaltung in der Galerie zu gelangen, waren sie mehr als bereit, der Stadtverwaltung mitzuteilen, was sich parkplatztechnisch ändern müsste. Durch ihre Anwesenheit vor Ort, wo das Problem tatsächlich auftritt, konnte Rebecca die Menschen dazu bringen, Ideen für Verbesserungen zu teilen – sogar bei etwas vermeintlich so Langweiligem wie dem Parken. Die Teilnehmer:innen schrieben ihr Feedback auf Post-It-Zettel, die für alle sichtbar an eine Tafel geheftet wurden. Zudem wurden Anwohner:innen mit einem Link zu einer Online-Beteiligungsplattform eingeladen, sich zur gleichen Thematik zu äußern. Alle Rückmeldungen, die Vor-Ort-Beiträge wie die digital eingegangenen wurden am Ende zusammengetragen und online verfügbar gemacht.
2. Ignorieren Sie die digitale Kluft nicht
Die Teilnahme am digitalen Zeitalter erfordert eine ganze Menge an Ressourcen. Die sog. digitale Kluft kann die Möglichkeit, sich zu engagieren jedoch stark einschränken. Man braucht mindestens einen Internetanschluss – es beginnt also schon mit der Verfügbarkeit, Erschwinglichkeit und Geschwindigkeit des Internets. Darüber hinaus brauchen Menschen Geräte, vielleicht werden in einem Haushalt gleich mehrere benötigt. Während in der Vergangenheit ein gemeinsam genutzter Computer ausgereicht haben mag, waren die Ressourcen im vergangenen Jahr, als die Schüler und Schülerinnen ihren Unterricht pandemiebedingt hauptsächlich virtuell besuchten und viele ihrer Eltern zudem von zu Hause aus arbeiteten, sehr knapp bemessen. Und zu guter Letzt muss man auch wissen, wie Geräte und Anwendungen funktionieren: Kann man mit den benötigten Tools umgehen, weiß man, wie man seine Privatsphäre schützt und wie man Informationen im Internet findet? Es wird also eine Reihe an Kompetenzen abverlangt, damit Bürger:innen sich beteiligen können. Machen Sie es ihnen auf der Gestaltungsebene so leicht, wie es geht. Bevor Sie Ihr nächstes Projekt in Angriff nehmen, überlegen Sie: Sind Ihre Dienste einfach zu nutzen, zu verstehen und zugänglich?
“Die Pandemie hat uns gezwungen, hinzuschauen. Die Regierungen können die Menschen nicht zurücklassen und die Pandemie hat gezeigt, dass unsere Regierungen den Anschluss an das 21. Jahrhundert mit digitalen Tools finden müssen.“
Rebecca Woodbury vom Department of Civic Things
3. Arbeiten Sie in Ihrer Gemeinde zusammen
Bei so vielem, das es zu berücksichtigen gilt, ist es wichtig zu wissen, wie Sie Ihre Ressourcen einsetzen sollten. Gerade, wenn Sie einen gemischten Ansatz für das Engagement in der Gemeinde verfolgen. Es ist ratsam, Non-Profit-Organisationen, Schulen, Behörden und Freiwillige aus dem Gemeinwesen zu mobilisieren, um Ihre Anliegen zu unterstützen und zu begleiten. Lassen Sie sich von diesen Akteuren bei der Gestaltung Ihres Prozesses helfen. Als Rebeccas Team beispielsweise Gemeindemitglieder in San Rafael einbezog, empfahlen sie dem Team der Stadt daraufhin, bei einigen Umfragen Bildmaterial anstelle von Text zu verwenden, um sie zugänglicher zu machen. Sie schlugen außerdem vor, die Menschen in der Schlange vor der Lebensmittelbank zu befragen, um deren Feedback direkt einzuholen. Wenn Sie Ihre Aktivitäten in Gang bringen werden Sie feststellen, dass einige der gesammelten Daten gleich am Anfang auf Möglichkeiten zur Verbesserung Ihres Prozesses hinweisen können. Nutzen Sie diese Rückmeldung und passen Sie den Prozess entsprechend an, warten Sie nicht bis zum Ende eines Projekts, um dies zu berücksichtigen. Durch die Zusammenarbeit innerhalb Ihrer Gemeinschaft können Sie die Präsenz vor Ort leichter mit Ihren Online-Beteiligungsmöglichkeiten verbinden und so langfristig repräsentativere Daten bekommen.
4. Ihre Arbeit sollte datengestützt sein, und Ihre Daten sollten auf Erfahrungen beruhen
Indem Sie Menschen einladen, ihre Erfahrungen in das Anliegen einzubringen und es so voranzubringen, erhalten Sie in Ihrem Beteiligungsbemühen bessere Aufschlüsse über Vorzüge und Bedürfnislage in Ihrer Gemeinde. Fangen Sie damit an, Organisationen in Ihrer Gemeinde als Mitgestalter:innen Ihres Projekts einzubeziehen. Die Führungspersönlichkeiten dieser Gruppen sind hoch geschätzt, ihnen vertraut die jeweilige Gemeinde. Diese Zusammenarbeit wird es Ihnen erleichtern herauszufinden, welche Themen für Ihre Einwohner und Einwohnerinnen am wichtigsten sind. In Lancaster, Pennsylvania, haben Milzy und ihr Team auf diese Weise herausfinden können, dass die Einwohner:innen vor allem über zwei Dinge mehr wissen wollten: 1. wie sie Zugang zu den Dienstleistungen der Kommunalverwaltung erhalten und 2. wie sie sich mit ihren Nachbar:innen austauschen können. Daraufhin konnte die Stadt ihre Zeit und ihre Ressourcen auf die Entwicklung von zwei Programmen konzentrieren, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Das erste Programm, die “Neighborhood Leaders Academy”, brachte Schülern und Schülerinnen und Erwachsenen (einschließlich einer Gruppe von Geflüchteten) bürgerschaftliches Engagement bei. So sollten die Funktionsweisen der Kommunalverwaltung besser verstanden werden können. Das zweite Programm, “Love Your Block”, startete kurz vor der Pandemie, sodass die Bewohner:innen unter dem Slogan „Building Community Despite the Distance“ digital zusammenkamen. Die Stadt lud die Bewohner:innen ein, Probleme in der Gemeinde zu benennen und Lösungen vorzuschlagen. Anschließend wurden 42 Mini-Zuschüsse in Höhe von 500 US-Dollar an die besten Initiativen vergeben. Dazu gehörten pandemiebedingte Projekte zur Bereitstellung von Lebensmitteln für die Nachbarschaft, eine Künstlerin, die Malbücher für Kinder erstellte, ein anderer Künstler, der eine Reihe von „Veranda-Porträts“ anfertigte, um das Leben der Menschen während der Pandemie festzuhalten.
5. Agil und reaktionsschnell sein
Vor COVID-19 hatte Lancaster fünf Bürger:innenversammlungen abgehalten. Das Team um Milzy Carrasco arbeitete an einem Thema, das die Gemeinschaft spaltete und das eine hohe Priorität hatte: die Polizeiarbeit. Das Team wollte das Gehörte in die strategische Planung Lancesters einfließen lassen, die virtuell fortgesetzt werden sollte, zumal es in der Stadt zahlreiche Proteste gegen Polizeibrutalität gab. Während der Proteste stellten die Verantwortlichen der Stadt riesige Plakate mit Fragen aus der Bevölkerung auf, und die Polizist:innen beantworteten diese Fragen.

By humanizing the questions and response, they were fostering dialogue in-person, despite social distancing, Durch die Vermenschlichung der Fragen und Antworten wurde trotz der sozialen Distanzierung der Dialog vor Ort angekurbelt. Dieser wurde auch auf der städtischen Online-Plattform fortgesetzt, hier ging es gezielt um die Polizeiarbeit und die Einstellung einer neuen Polizeiführung. Es zeigt, dass es viele Möglichkeiten gibt, das Rathaus menschlicher zu gestalten und die Transparenz zu erhöhen. Überlegen Sie doch mal, ob Sie einen Stand in Ihrem örtlichen Park oder auf dem Wochenmarkt aufstellen, damit die Menschen zwangloser mit Ihnen in Kontakt treten können. Auf diese Weise können Sie schwierige Gespräche auf einer vertrauensvollen Basis führen und die Bevölkerung motivieren, sich an Projekten zu beteiligen.
Der richtige Zeitpunkt anzufangen ist jetzt
Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Der zweitbeste Zeitpunkt ist jetzt“. Die Einführung integrativer Projekte zur Einbindung der Gemeinschaft, die die Online- und persönliche Beteiligung fördern, wird Ihnen dabei helfen, gerechtere und strategisch bessere Entscheidungen zu treffen und die Gemeinschaft gemeinsam mit Ihren Einwohnern und Einwohnerinnen zu verändern. Zudem ist mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) nun auch der gesetzliche Grundstein gelegt. Bis Ende 2022 sind Länder und Kommunen verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten.
Erfahren Sie mehr über das Zusammenführen von On- und Offlinemethoden. Lesen Sie hier die Lancaster-Fallstudie.